
Manche Dinge lassen sich nicht planen. Sie passieren einfach. Flashbacks gehören dazu. Sie kommen nicht mit Vorwarnung, nicht mit Logik, nicht mit Rücksicht. Sie reißen dich raus aus dem Moment, aus dem Alltag, aus dir selbst. Was folgt, ist kein Film, den man sich anschaut – sondern einer, in dem man plötzlich wieder mittendrin steckt. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, was da eigentlich passiert. Und noch länger, um Worte dafür zu finden. Dieser Text ist kein Ratgeber. Er ist ein Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Flashbacks – Wenn die Vergangenheit nicht fragt, ob sie stören darf
Es gibt keine Vorwarnung, kein „Achtung, gleich wird’s unangenehm“. Flashbacks kommen einfach. Sie knallen rein, mitten in den Alltag, mitten ins Jetzt. Und plötzlich ist alles anders. Mein System hat dann in dem Moment entschieden: Jetzt ist wieder damals. Das ist kein poetisches Bild, das ist meine knallharte Realität. Ich kann unterwegs sein, wandern, einkaufen, reden – und auf einmal bin ich nicht mehr da. Mein Körper läuft weiter, aber mein Kopf ist raus. Manchmal sind es Bilder, die einfach losgehen. Nicht wie Erinnerungen, sondern wie ein Film, der sich selbst startet. Ich sehe Dinge, die ich nicht sehen will, spüre Dinge, die nicht zum Moment passen, oder rieche den Geruch der Leichenhalle, in der mein Bruder lag. Einfach so, ohne Zusammenhang. Und dann ist alles still. Außen läuft die Welt weiter, in mir drin ist Ausnahmezustand.
Ich funktioniere, aber ich bin nicht da – Dissoziation im Alltag
Es gab diesen Moment beim Wandern, den ich schon in einem anderen Beitrag beschrieben hatte. Fünf Kilometer war ich gegangen und ich weiß nicht, wie. Ich war plötzlich da, aber das Dazwischen fehlte. Als hätte mich jemand rübergebeamt. Kein Gedanke, kein Bild, nur Leere. Mein Kopf hatte völlig abgeschaltet, mein Körper hatte übernommen. Autopilot. Und ich stand da, als wäre ich gerade aufgewacht. Nicht erfrischt, sondern irritiert, als hätte ich mich selbst verloren. Diese Leere ist nicht angenehm, nicht beruhigend, sie ist beängstigend. Ich funktioniere, aber ich bin nicht präsent, innerlich bin ich irgendwo anders. Und das ist nicht spirituell gemeint. Das ist einfach nur seltsam.
Manchmal fühlt sich alles an wie ein Tunnel. Als würde ich durch eine Szene laufen, die nicht zu mir gehört. Surreal und verzerrt. Ich weiß, dass ich da bin, aber ich spüre es nicht, sehe, was passiert, aber es erreicht mich nicht. Und dann kommt der Moment, in dem ich merke: Das war eine Dissoziation oder ein Flashback. Was mich komplett irritiert: Selbst schöne Erinnerungen können sich falsch anfühlen. Ich denke an einen schönen Moment in meinem bescheidenen Leben, an ein Lachen, an Sonne – und statt Wärme kommt ein unfassbarer Schmerz in mir hoch. Als würde mein System sagen: „Das war mal gut, aber jetzt tut’s weh.“ Vielleicht, weil es vorbei ist, vielleicht aber auch, weil das Leben danach einfach zu viel war.
Wenn das System übernimmt
Es ist nicht so, dass ich das alles nicht verstehe. Ich hab viel darüber gelesen, was das sein kann und von meinen Therapeuten und Psychiatern erklärt bekommen: Flashbacks, Dissoziation, aber auch Affektisolierung. Bei der Affektisolierung schützt mich mein System vor den überwältigenden Gefühlen – dann spüre ich einfach nichts mehr: völlige Leere und emotionale Taubheit. Klingt alles irgendwie auch ganz logisch. Mein System versucht, mit etwas umzugehen, das zu groß war. Mein Gehirn unterscheidet nicht zwischen damals und jetzt. Es feuert einfach los, als wäre die Gefahr real. Und mein Körper macht mit: Zittern, Schwitzen, Herzrasen. Ich kann nichts dagegen tun. Es ist, als würde mein System sagen: „Achtung, das war mal schlimm, also ist es jetzt auch schlimm.“
Wenn mich jemand emotional verletzt, kann ich explodieren. Dann kommt eine unsagbare Aggression in mir hoch. Schreien, laut werden, Kontrollverlust – aber nie handgreiflich. Danach fühlt es sich an, als wäre ich plötzlich ein anderer Mensch gewesen. Der wütende Patrick. Ich erkenne mich dann selbst nicht wieder. Die Realität ist dann wie weg. Ich funktioniere, aber ich bin nicht ich. Ich fühle mich dann danach, als wäre ich aus einem Traum aufgewacht oder aus einer völlig anderen Realität. Und das macht Angst – große Angst. Das hat in der Vergangenheit meine Beziehungen stark belastet. Diese Aggression ist nicht einfach nur ein Ausbruch. Sie ist wie ein Schutzmechanismus. Als würde mein System sagen: „Jetzt übernehmen wir, weil du das nicht aushältst.“ Und danach bleibt Leere und Entfremdung. Ich weiß, dass ich das war, aber ich fühle es nicht. Als hätte ich kurz jemand anderen spielen müssen, um klarzukommen.
Emotionale Flashbacks – Wenn das Nervensystem alte Wunden öffnet
Dass das alles auf meine komplexe posttraumatische Belastungsstörung zurückzuführen ist, weiß ich auch erst seit meiner stationären Traumatherapie – dort habe ich erst so einiges verstanden. Und vieles habe ich mir auch angelesen. Emotionale Flashbacks sind besonders tückisch, vor allem, weil man diesen oft nicht so einfach beikommt und erkennt. Sie kommen nicht mit Bildern oder Gerüchen, sondern mit Gefühlen. Plötzlich fühle ich mich minderwertig, klein, bedroht, obwohl objektiv nichts Bedrohliches passiert ist. Ein Satz, eine Kritik, ein Blick und mein System springt an.
Nicht, weil es logisch ist, sondern weil es alte Muster berührt. Kindheit, Verlust, Schmerz. Alles auf einmal. Und ich stehe da und frage mich: Was zur Hölle passiert hier gerade? Was oft vergessen wird: Das Nervensystem trennt nicht sauber. Ein Geruch, ein Lied, ein Ort – sie können eine schöne Erinnerung wachrufen, aber gleichzeitig auch die Zeit drumherum, die vielleicht schmerzhaft war. Und dann wird aus einem warmen Moment ein kalter Schock. Nicht, weil ich das will, sondern weil mein System entscheidet: Das ist jetzt gefährlich.
Leben mit kPTBS
Ich weiß, dass viele das nicht verstehen. Dass sie sagen: „Das ist doch vorbei.“ Oder: „Du musst einfach loslassen.“ Ich weiß, dass das in dem Moment gut gemeint ist, aber es ist für uns, die an einer kPTBS leiden, nicht sehr hilfreich – ganz im Gegenteil. Man fühlt sich dann als Versager, als jemand, der sich einfach nur für das Leben entscheiden muss. Als wäre das eine Entscheidung. Ich habe mir das alles nicht ausgesucht. Trauma ist kein Lifestyle. Ist es nicht. Es ist ein Zustand, einer, der sich nicht an Regeln hält, der kommt, wenn er will. Einer, der bleibt, auch wenn man ihn nicht eingeladen hat.
Ich hab keine perfekte Strategie. Kein „So geht’s besser“-Rezept. Aber ich hab gelernt, dass es hilft, Worte zu finden. Für das, was sich so schwer beschreiben lässt. Dass es okay ist, wenn man sich manchmal fremd fühlt im eigenen Körper. Dass man nicht falsch ist, nur weil man anders reagiert. Vielleicht bin ich schwach. Aber vor allem bin ich verletzt von einem Leben, das sich viele nicht im Geringsten vorstellen können oder mögen und das ist okay. Ich wünsche das niemandem, noch nicht einmal meinem ärgsten Feind. Okay, meinem Erzeuger hätte ich noch viel mehr an den Hals gewünscht, aber der ist tot und das ist gut so. Und mein System tut alles, um mich irgendwie durchzubringen. Manchmal auf sehr seltsame Weise und mit extremen Umwegen, auf die ich gut und gerne verzichten könnte. Manchmal mit Aggression, ein anderes Mal mit Leere. Aber immer mit dem einen Ziel: Überleben.
Euer Patrick
(Bild wurde mit KI von Microsoft Copilot generiert)

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